Friedrich Rückert

Ausgewählte Werke

Aus: Fünf Märlein zum Einschläfern für mein Schwesterlein
Zum Christtag 1813
Das Männlein in der Gans
Das Männlein ging spazieren einmal
Auf dem Dach ei seht doch!
Das Männlein ist hurtig, das Dach ist schmal,
Gib acht, es fällt noch.
Eh' sich's versieht, fällt's vom Dach herunter
Und bricht den Hals nicht, das ist ein Wunder.
Unter dem Dach steht ein Wasserzuber,
Hineinfällt's nicht schlecht;
Da wird es naß über und über,
Ei, das geschieht ihm recht.
Da kommt die Gans gelaufen,
Die wird's Männlein saufen.
Die Gans hat's Männlein 'nuntergeschluckt,
Sie hat einen guten Magen;
Aber das Männlein hat sie doch gedruckt,
Das wollt' ich sagen.
Da schreit die Gans ganz jämmerlich;
Das ist der Köchin ärgerlich.
Die Köchin wetzt das Messer,
Sonst schneidt's ja nicht:
Die Gans schreit so, es ist nicht besser,
Als daß man sie sticht;
Wir wollen sie nehmen und schlachten
Zum Braten auf Weihnachten.

Sie rupft die Gans und nimmt sie aus
Und brät sie,
Aber das Männlein darf nicht 'raus,
Versteht sich.
Die Gans wird eben gebraten;
Was kann's dem Männlein schaden?

Weihnachten kommt die Gans auf den Tisch
Im Pfännlein;
Der Vater tut sie 'raus und zerschneid't sie frisch.
Und das Männlein?
Wie die Gans ist zerschnitten,
Kriecht's Männlein aus der Mitten.

Da springt der Vater vom Tisch auf,
Da wird der Stuhl leer;
Da setzt das Männlein sich drauf
Und macht sich über die Gans her.
Es sagt: »Du hast mich gefressen,
Jetzt will ich dafür dich essen. «
Da ißt das Männlein gewaltig drauf los,
Als wären's seiner sieben;
Da essen wir alle dem Männlein zum Trotz,
Da ist nichts übrigeblieben
Von der ganzen Gans, als ein Tätzlein,
Das kriegen dort hinten die Kätzlein.
Nichts kriegt die Maus,
Das Märlein ist aus.
Was ist denn das?
Ein Weihnachts-Spaß;
Aufs Neujahr lernst
Du, was?
Den Ernst.

Aus: Geharnischte Sonette (1812)
Was schmiedst du, Schmied? » Wir schmieden Ketten, Ketten!«
Ach, in die Ketten seid ihr selbst geschlagen.
Was pflügst du, Bau'r? » Das Feld soll Früchte tragen!«
Ja, für den Feind die Saat, für dich die Kletten.
Was zielst du, Schütze? »Tod dem Hirsch, dem fetten.«
Gleich Hirsch und Reh wird man euch selber jagen.

Was strickst du, Fischer? »Netz dem Fisch, dem zagen.«
Aus eurem Todesnetz wer kann euch retten?
Was wiegest du, schlaflose Mutter? »Knaben.«
Ja, daß sie wachsen und dem Vaterlande,
Im Dienst des Feindes, Wunden schlagen sollen.
Was schreibest, Dichter, du? » In Glutbuchstaben
Einschreib' ich mein und meines Volkes Schande,
Das seine Freiheit nicht darf denken wollen.«
 
Aus: Kaiserlieder, 1848/49
BARBAROSSA
Der alte Barbarossa,
Der Kaiser Friederich,
Im unterird'schen Schlosse
Hält er verzaubert sich.
Er ist niemals gestorben,
Er lebt darin noch jetzt;
Er hat im Schloß verborgen
Zum Schlaf sich hingesetzt.
Er hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit,
Und wird einst wiederkommen
Mit ihr, zu seiner Zeit.
Der Stuhl ist elfenbeinern,
Darauf der Kaiser sitzt;
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stützt.
Sein Bart ist nicht von Flachse,
Er ist von Feuersglut,
Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Kinn ausruht.
Er nickt als wie im Traume,
Sein Aug' halb offen zwinkt;
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.
Er spricht im Schlaf zum Knaben:
Geh hin vors Schloß, o Zwerg,
Und sieh, ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg.
Und wenn die alten Raben
Noch fliegen immerdar,
So muß ich auch noch schlafen
Verzaubert hundert Jahr.
Die Sage vom schlafenden Kaiser, die sich auch in der islamischen Überlieferung als Sage vom Mahdi findet, bezog sich zunächst auf Friedrich II. von Hohenstaufen und wurde dann auf seinen 1190 in Anatolien verstorbenen Großvater Friedrich I. übertragen, der noch immer im Kyffhäuser in Thüringen schlummern soll. Allerdings verordnet ihm Rückert in seinem Gedicht noch hundert Jahre Schlaf. Vom Zeitpunkt der Entstehung an gerechnet trifft er damit die Gründungsjahre von BRD und DDR.
(Nachruf auf Abraham Lincoln, 1865)
AMERIKA
Ein neues Lied vom alten Fr. Reimar
Amerika, das ist dein Ruhm,
Den niemand soll bestreiten,
Die Freiheit und das Bürgertum,
Der neue Geist der Zeiten.
Ein Bürgersohn von niedrem Stand
(Du weinst an seiner Bahre)
Hat durchgekämpft mit starker Hand
Den Bruderkrieg vier Jahre.
Und schöpft aus seinem Meuchelmord
Noch Hoffnung der Rebelle?
Es fiel ein Mann; es steht sofort
Ein andrer an der Stelle.
Er war kein Mann von hohem Geist,
Doch fest in Pflicht und Treue,
Was dort sein Volk als Höchstes preist,
Und ich hier preis' aufs neue.

Er wollte nichts für sich allein,
Die Eigensucht zu stillen,
Er wollte nur - der Ausdruck sein
Von seines Volkes Willen
Und gründlich hat er ausgeführt,
Was es ihm aufgetragen;
Vor solchem Lob, das ihm gebührt,
Verstummen alle Klagen.
Hat seinem Fall der Bau gebebt?
Ging alles auf in Flammen?
Nein, Lincolns Geist, der Volksgeist lebt,
Der alles hält zusammen.
Wo in Europa wär' ein Thron,
Der unerschüttert bliebe
Von solchem Fall? Es g'nügte schon,
Daß er in Trümmer fiele.
Und wo ging ein Monarch zu Grab,
Dem solcher Achtung Pfänder
Freiwillig und aufrichtig gab
Sein Land und alle Länder?

AUS: AGNES' TOTENFEIER
»Mai-Lilien, ihr schüttelt eure Glocken
Wen wollet ihr zur Maien-Andacht laden?«
Sie, die von selbst sonst ging auf diesen Pfaden,
Soll, da sie säumt, jetzt unser Läuten locken.
»Mai-Lilien, laßt eu'r Geläute stocken;
Soeben stocket ihres Lebens Faden! «
Ach, sieh, der Tau, in welchem wir uns baden,
Gerinnt zu Reif, so sehr sind wir erschrocken.
»Mai-Lilien, da eure Lust zur Beute
Des Todes ward, was kann euch Trost erzeigen?«
Daß du uns gleich von hinnen nehmest heute
Und gebest ihre Grabstätt' uns zu eigen,
Daß dort sie einwieg' unser sanft Geläute;
Sprich, willst du? »ja!« Wir danken dir mit Neigen.


AUS: AMARYLLIS
(Rückert besang die Gastwirtstochter Maria Elisabeth Geuss als Amara, "Bittere" oder Amaryllis)
Komm, setz' dich, laß dir 'mal ins Antlitz schauen,
Laß deine Hand 'mal friedlich ruhn in meiner;
Ich will einmal als Zimmerer und Schreiner,
So gut ich kann, im Geist ein Hüttchen bauen.
Ganz schlecht und recht soll's sein, nicht viel behauen,
Ganz klein von außen, innen doch viel kleiner,
Nur groß genug mir einem und noch einer,
Die eine ist - was furchst du denn die Brauen?
So klein soll's Hüttchen sein, daß all vorüber
Ein jeder Wind geht, ohn' ans Dach zu hauchen,
Ein jeder Lärm zieht, ohn' ans Tor zu pochen.
Durchaus kein Platz, kein Raum im Hüttchen über,
Als nur so viel zwei jetzt zum Bette brauchen,
Ein drittes dann zur Wieg' in Jahr und Wochen.


Beispiele für Gedichte, die während der Italienreise entstanden sind:
Oktave
Ein Fisch, vom Angel einmal schon betrogen,
Er hütet sich, am zweiten anzubeißen;
Die Taube, die dem Habicht erst entflogen,
Scheut jeden Schnabel, der sie kann zerreißen;
Ein Schäfchen, das der Hirt dem Wolf entzogen,
Mag gern im Stall zu bleiben sich befleißen:
Ein Herz, das doch Erfahrung sollte warnen,
Läßt stets von neuem sich die Lieb' umgarnen.
 
 
Die Ritornelle von Ariccia
Auswahl aus den an Ort und Stelle gesammelten
1817
Eindringliche Seufzer
Blüte der Viole!
0 meine Seufzer, dringet durch die Mauer,
Wie eine Ahle durch des Schuhes Sohle.
Gegen den Zauber des bösen Auges
Blüte vom Lauche!
Steck' auf den Hut ein Börstchen fein vom Igel,
So schadet niemand dir mit bösem Auge.
Reiseschuhe
Ich will mir machen ein Paar neue Sohlen;
0 Gott, was für 'nen Weg, den ich will machen!
Ich will ihn finden, der mir's Herz gestohlen.
Paradiesesspeise
Blüte vom Reise!
Zucker und Maccaroni, Butter und Käse,
0 welche schöne Paradiesesspeise.
Das Wickelkind
0 Traubendolde!
Dein Wickelbändchen waren weiche Winde,
Dein Wickelkissen Sonne samt dem Monde.
Ländliche Schönheit
Schwarz ist dein Auge gleich dem Pfefferkorne,
Rot deine Wange wie vom Blut der Rüben,
0 von der Mutter mir zur Lust Geborne!

"Östliche Rosen" enthielt zunächst nur Nachdichtungen der Hafisschen Werke. Erst lange nach Rückerts Tod wurden die in dieser Zeit entstandenen vorzüglichen Übersetzungen veröffentlicht.
Ein Beispiel für die Nachdichtungen aus dem Diwan des Hafis:
Was sagt' der Herbst der Ros' ins Ohr,
daß sie die Munterkeit verlor?
Er mahnt' sie an die Nichtigkeit
der Treue, die der Lenz ihr schwor.
Sie reißt entzwei den Schleier, den
sie nahm, als er zur Braut sie kor;
Und wie sie bleich vom Throne sinkt,
erseufzt der Nachtigallen Chor.
Wer brach entzwei das Lilienschwert?
So blank geschliffen war's zuvor.
Die Tulp' entfloh so eilig, daß
den Turban sie am Weg verlor.
Beschämt senkt der Jasmin sein Haupt,
weil ihm der Ost die Locken schor.
Es streut der Wind mit voller Hand
von Bäumen Blättergold empor.
Das dürre Laub schwirrt durch die Luft
wie Fledermäus' aus Gräbertor.
Das Totenlied der Schöpfung spielt
der Herbstwind auf geknicktem Rohr.
Die finstre Tanne trägt den Schnee
wie weißen Bund ums Haupt ein Mohr.
Der Berg nahm weißen Hermelin,
weil ihm die nackte Schulter fror.
0 sieh des Jahrs Verwüstung an
und hole frischen Wein hervor!
Die Sonne sandt' uns, eh sie wich,
den jungen Most ins Haus zuvor,
Daß er uns leucht' an ihrer Statt,
wann ihre Kraft dämpft Wolkenflor.
Sieh, wie des Wintergreises Grimm
des Frühlingskindes Hauch beschwor.
Er weckt in Bechertönen ein'
verzaubert' Nachtigallenchor,
Und trunkne Bticke sich ergehn
auf schöner Wangen Rosenflor.
Du trink, und seufz' im Winter nicht;
denn auch im Frühling seufzt ein Tor.
Wie die Sonne sinkt am Abend,
Sich im goldnen Glanz begrabend;
Wie der Lenz vorm Herbste flüchtet,
Im Entfliehn mit Duft noch labend;
Wie die schöne Jugendgöttin
Auf dem Roß der Zeit hintrabend;
Wie das Leben, in den Händen
Unerfüllte Wünsche habend:
Also flohst du, Sonne, Frühling,
Jugend, Leben, lustbegabend;
Und Hafis, dir ferne, fühlet
Sterben, Alter, Herbst und Abend.

Beispiel eines Ghasels nach Rumi:
Ich sah empor, und sah in allen Räumen Eines;
hinab ins Meer, und sah in allen Wellenschäumen Eines.
Ich sah ins Herz, es war ein Meer, ein Raum der Welten,
voll tausend Träum'; ich sah in allen Träumen Eines.
Du bist das Erste, Letzte, Äußre, Innre, Ganze;
es strahlt dein Licht in allen Farbensäumen Eines.
Du schaust von Ostens Grenze bis zur Grenz' im Westen,
dir blüht das Laub an allen grünen Bäumen Eines.
Vier widerspenst'ge Tiere ziehn den Weltenwagen,
du zügelst sie, sie sind an deinen Zäumen Eines.
Luft, Feuer, Erd' und Wasser sind in eins geschmolzen
in deiner Furcht, daß dir nicht wagt zu bäumen Eines.
Der Herzen alles Lebens zwischen Erd' und Himmel,
Anbetung dir zu schlagen soll nicht säumen Eines.
 
Die Gedichte aus dem Zyklus "Liebesfrühling" entstanden ab 1821, erschienen verstreut in verschiedenen Zeitschriften und wurden erst 1844 gemeinsam veröffentlicht. Sie sind Rückerts Frau Luise gewidmet, die dadurch als die meistbesungene Frau der deutschen Literatur gilt. Das hier vorgestellte Beispiel aus diesem Werk wurde von Robert Schumann 1842 vertont, wie auch viele andere Gedichte aus dieser Reihe das Interesse namhafter deutscher Komponisten fanden.
Du meine Seele, du mein Herz,
Du meine Wonn', 0 du mein Schmerz,
Du meine Welt, in der ich lebe,
Mein Himmel du, darein ich schwebe,
O du mein Grab, in das hinab
Ich ewig meinen Kummer gab.
Du bist die Ruh', du bist der Frieden,
Du bist der Himmel mir beschieden.
Daß du mich liebst, macht mich mir wert,
Dein Blick hat mich vor mir verklärt,
Du hebst mich liebend über mich,
Mein guter Geist, mein bessres Ich!

Die Makamen des Hariri
Die fünfzig Makamen des Hariri (1053 - 1122) sind eine Art Kurzgeschichten in gereimter Prosa. Sie gelten als das größte Sprachkunstwerk des klassischen Arabisch.
Auszug aus: Dreiunddreißigste Makame
Die Ehescheidung
Hareth Ben Hemmam erzählt: Ich stand im Begriffe, mit vielen
andern - aus Täbris zu wandern, - weil die Lust dieser Stadt
versiegt war, - die eben vom Hunger bekriegt war. - Während
ich nun mit eiligem Schritt - die Straßen durchschnitt, -
beschäftigt mit Reisevorbereitung - und mit Aufsuchen einer
Begleitung, - begegnet' ich Abu Seid von Serug, den bedrängte
ein Harm, - weil an ihn sich hängte ein Weiberschwarm, - wie
Bienen an des Zeidlers Arm. - Und ich fragt' ihn, wohin er sich
schleppe - mit seiner unbequemen Schleppe? - Da seufzte er
schwer- und deutete auf eine im Heer, - in deren Gebärden zu
sehn war die Widersetzlichkeit - und auf ihrem entschleierten
Antlitz die Unergetzlichkeit; - und sprach: Die hab' ich gefreit,
daß in der Fremde sie mir sei zur Bequemlichkeit - und von
mir nehme des ehelosen Lebens Grämlichkeit; - doch sie macht
mir Unannehmlichkeit. - Sie spielt gegen mich den Mann - und
sinnt mir mehr an, als ich leisten kann; - ich bin wie ein abge-
triebnes lTier vermagert - und auf Distel und Dorn gelagert. -
Nun gehn wir zusammen zum Richter, - daß er werd' unseres
Handels Schlichter, - sei's nun gütliche Entscheidung - oder
die Scheidung, die Scheidung! - So sprach er, da dacht' ich
doch, ich könnte nicht aus Täbris gehn, - ohne den Verlauf
dieser Sache zu sehn, - und ich schob mein Geschäft auf die
Seiten, - um sie zum Richter zu begleiten. .....

Aus dem Zyklus "Kindertotenlieder", der mehr als 400 Gedichte enthält und der erst 1874 veröffentlicht wurde, vertonte Gustav Mahler nur einige wenige.
VORAHNUNG
Jeder Tag, der nichts dir nimmt,
Hat dir wirklich was gegeben.
Wie ein Docht im Wind verglimmt,
Konnt' er löschen dir ein Leben.
Für so viele mußt du beben
Und in Furcht und Sorge schweben;
Fühlest du dich nicht gestimmt,
jedem Tag zu sagen Dank,
Wo von allen keins ward krank?
Keiner ging mir noch verloren
Derer, die mein Weib geboren;
(Außer einem halbvergessnen,
Früh verlornen, kaum besessnen)
Daß ich immer zagen muß
Vor dem Monatsrechnungsschluß,
Ob der Tod nach Schicksalsordern
Nicht wird seinen Blutzehnt fordern.
Diese Furcht, in der ich habe
jeden schon gelegt zu Grabe,
Rechne mir der Herr der Welten
An als wirklichen Verlust,
Wenn für Kindesopfer gelten
Kann ein Herz in Vaterbrust.
Sein didaktisches Hauptwerk "Weisheit des Brahmanen" leitet er so ein:
Ein indischer Brahman, geboren auf der Flur,
Der nichts gelesen als den Weda der Natur;
Hat viel gesehn, gedacht, noch mehr geahnt, gefühlt,
Und mit Betrachtungen die Leidenschaft gekühlt;
Spricht bald, was klar ihm ward, bald um sich's klar zu machen,
Von ihn angeh'nden halb, halb nicht angeh'nden Sachen.
Er hat die Eigenheit, nur Einzelnes zu sehn,
Doch alles Einzelne als Ganzes zu verstehn.
Woran er immer nur sieht schimmern einen Glanz,
Wird ein Betkügelchen an seinem Rosenkranz.
Zwei Spiegel sind, worin sich selber schaut mit Wonne
Die hohe Himmels- und die höchste Geistersonne:
Ein Spiegel ist das Meer, von keinem Sturm empört,
Ein andrer das Gemüt, von keinem Drang verstört.
 

Die im 9. Jahrhundert von Abu Tammam zusammengestellte Sammlung "Hamasa" ist mit ihren mehr als 1000 Gedichten eine der wichtigsten Sammlungen altarabischer Dichtung. Rückert übersetzte sie alle.
AL-FIND VON SIMNAN
Krieg der Notwehr
Wir sah'n dem Beni Dhuhl es nach
und dachten: es sind Bruderscharen!
Vielleicht bringt uns der Zeit Verlauf
die Leute wieder, wie sie waren.
Doch als das Übel hell ausbrach,
und nackt und bar war zu gewahren,
und nichts als Feindschaft übrig blieb,
da fuhren wir, wie sie gefahren.
Wir schritten eines Leuen Schritt,
wenn in den Leu'n der Zorn gefahren,
und hieben einen Hieb, der weich
und linde macht und treibt zu Paaren,
und einen Klaff, als wie den Mund
des vollen Schlauchs, der aufgefahren.
Denn Sanftmut gegen Unverstand
kann vor Demüt'gung nicht bewahren,
und wo nur Böses helfen kann,
da magst du deine Güte sparen.

MEINER LIEBEN SCHWIEGERTOCHTER ALMA
(Weihnachten 1865)
Zeitungsbringerin,
Fliegenwedelschwingerin,
Fehllose Jägerin,
Treffliche Totschlägerin,
Liebe Beleberin,
Kleinmutes Heberin,
Sorgenabwenderin,
Trostredespenderin,
Leidens Abfragerin,
Besserungswahrsagerin,
Leisanschweberin,
Arzeneigeberin,
Stundenmahnerin,
Zeitvertreibsanbahnerin,
Temperaturspürerin,
Feuernachschürerin,
Witterungskünderin,
Lampendochtanzünderin,
Morgenbegrüßerin,
Abendrastversüßerin,
Nachtvorleserin,
Bücheramtsverweserin,
Allzeitunterhalterin,
Gesprächsstoffsentfalterin,
Wunschablauscherin,
Dienstrollentauscherin,
Allesbeschickerin,
Allesüberblickerin,
Allesbestreiterin,
Krankenkostbereiterin,
Festgabebedenkerin,
Weihnachtsentenschenkerin,
Engelverwenderin,
Enkelzuspruchsenderin,
Ordnerin, Schmückerin,
Kopfkissenrückerin,
Pfeifenkopfstopferin,
Flaschenpfropfentpfropferin,
Schlummerbecherfüllerin,
Kalter Knie Umhüllerin,
Nachtruhanwünscherin,
Wenn ich wachensmatt bin,
Heimlich schwach schachmatt bin,
Treue Mitträgerin
Mitpflegerin
Neben deiner Schwägerin,
Schwiegerkind, Söhnerin,
Versöhnerin, Beschönerin,
Unbelohnt Taglöhnerin,
Allzeit frohe Frönerin,
Liebliche Verwöhnerin:
Nimm dies Liebeszeichen hin,
Wie ich dir dankbar bin.
 

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